Christian Lohre und Jan Neukirchen sind Gruppe Stumpf.
Seit 2014 entwickeln sie zusammen künstlerische Arbeiten die zwischen Technologie, Klangkunst und Skulptur changieren und treten gemeinsam als Gruppe Stumpf auf.
Dieser ortspezifische Eingriff geht von voyeuristischen Einblicksituationen des Ausstellungsraumes aus und generiert ein doppeltes Verweigerungsverhältnis.
Zum einen entsteht eine Trennung zwischen Außen- und Innenraum, indem die Fenster zu opaken Wandungen werden. Zum anderen werden die Audio-Videoschleifen als rein akustisches Klangfeld ausschließlich im Ausstellungsraum hörbar.
Die visuellen Narrative sind nur aus dem Außen - durch die Projektoren sehbar. Die Architektur wird virtuell dupliziert und zu ausschnitthaften Handlungsorten diverser Inszenierungen. Die Formgestalt der simulierten Akteure schöpft aus dem bildhauerischen Repetoire unseres Oevres.
Die Projektoren selbst sind als semipermeable Verbindungen zwischen Innen und Außen gleichsam die Brücke zwischen der virtuellreal Architektur und dem Raum mit dem sie qua Klang und Erscheinung resonieren.
Eine ephemere Kreidelinie beschreibt nicht nur eine Bewegung im Raum, sondern auch eine Grenze zwischen den entstehenden Flächen. Pfade verdichten sich zu einer Karte, die vergangene Anwesenheiten erahnbar werden lässt. Durch die schlichte Modifikation wird aus dem dienbaren Putzroboter ein eigenwilliger Raumvermesser, welcher qua Zeichnung die algorithmische Blackbox ausliest.
Der Handlungsort untersucht in der Feinkunst das räumliche Narrativ und die Innenflächen des ehemaligen Büros im Haus der Ingenieure mittels konstruierter Apparaturen und vorgefundener Gegenstände, die durch ihre konzentrierte Primärfarbigkeit und ihre repetitiven, audiovisuellen Bewegungsabläufen teilweise an autistische Maschinen erinnern. Die Protagonisten offenbaren ihr Wesen durch unvorhergesehene Abweichungen und Störungen. Betriebsausfälle werden hier Systemrelevant. Einzelne Objekte und Gruppen korrelieren als Ensemble miteinander und orchestrieren über den Zeitverlauf ihre Einschreibungen in die Raumabschnitte. Divergente Tempi der technisch anmutenden Rhythmik provozieren das sich Einstellende Phase-Shifting der minimalistischen Komposition, welche fortlaufend neue, rekombinierte Hörereignisse kreiert.
Fotos Marc Rodenberg
Ort:
feinkunst e.V. im Haus der Ingenieure, Hannover
Gruppe Stumpf hat sich, aufbauend auf vorherige Arbeiten wie #nice und #Brexit, mit expandierenden Körpern beschäftigt. Zunächst entstand so eine Gruppe unterschiedlicher, für den Einsatz im öffentlichen Raum konzipierter, Wurfobjekte. Die Füllkörper dieser Objekte sind aus quadratischen Folienstücken zusammengeklebt. Aus diesen Objekten hat sich Purple entwickelt. Durch ein Öffnung die mit dem Kistenboden verbunden ist wird in Intvallen Luft in den Innenraum des Körpers gesogen die durch eine zweite Öffnung langsam wieder ausgeatmet wird.
Video:
Ort:
ARTmax, Braunschweig
Entstehungsjahr:
2017
Maße:
170 x 130 x 60 cm (Foto), ca. 300 x 600 x 200 cm (Video)
Das ursprünglich Vorhaben, eine Variante der bereits 2015 in der Villa Arson (Nizza) gezeigten Arbeit #nice zu konzipieren, hat nach einer erneuten Auseinandersetzung der beiden Künstler mit der Materie zu einer vollkommen neuen Formgebung und Kontextualisierung geführt. Die Transformation des künstlerischen Ausstellungskonzeptes hallt noch in der Arbeit #Brexit nach, deren Spuren sich auf dem Boden des Raums abzeichnen, und die sowohl visuell als auch intellektuell, im Kontext des territorialen Wandels, den Diskurs um den Ausstieg Großbritanniens aus der EU (Brexit), sichtbar und spürbar macht. Angetrieben von einem Kleinstcomputer werden alle Tweets (Twitter-Posts) mit dem Hashtag BREXIT ausgelesen, die durch Luftdruck den Deckel der Teekanne zum Tanzen bringen und die Komposition des Kannenklangs bestimmen. Die Arbeit füllt gewissermaßen das Internet in Tassen.
Video:
Ort:
Junge Kunst e.V., Wolfsburg
Entstehungsjahr:
2016
Maße:
variabel
Material:
Druckluftkompressor, Einplatinencomputer mit Internetanbindung, Beamer, Teebein, Teekanne, Teewasser
Stielbruch
Die beiden Künstler versuchen mit einem zweistieligen Besen den Boden zu fegen. Da sie ihre Kräfte in entgegengesetzte Richtungen forcieren bleibt der Besen unbewegt. Nur das Geräusch der auf dem glatten Boden abrutschenden Schuhe bezeugt die vergeudete Energie.
Das Video wird von einem alten Thinkpad abgespielt, das mit dieser Aufgabe sichtlich überfordert ist. Die Aufzeichnung wird stockend und bruchstückhaft wiedergegeben. Der Loop wird auf diese Weise ständig neu zusammengesetzt. Immer wieder ist der abrupte Besenbruch, der einen Sturz zur Folge hat, zu sehen.
Video:
Ort:
Sprengel Museum, Hannover
Entstehungsjahr:
2015
Maße:
37 x 72 x 21 cm
Material:
Jan Neukirchen, Christian Lohre, Besen mit zwei Stielen
#nice
Die Arbeit wurde 2014 als ortssspezifischer Beitrag zu einer Ausstellung in der Villa Arson in Nizza konzipiert. Aus der norddeutschen Perspektive versprach die Côte d’Azur die Sehnsucht nach Sonne, Strand und einem azurblauen Meer. Der internationale Name des Ausstellungsortes lautet Nice. Im englischen Sprachgebrauch bedeutet das nice auch nett, hübsch oder angenehm. Ausgehend von den Assoziationen, die bei dem Gedanken an diese Worte auftauchen, haben Christian Lohre und Jan Neukirchen eine Aparatur entwickelt, welche in Echtzeit das die Verwendung des Schlagwortes NICE im Internet (technisch gesehen werden Hashtags bei Twitter gefiltert) registriert. Jedesmal, wenn auf Twitter ein neuer Beitrag mit dem Hashtag NICE auftaucht, wird aus dem Druckluftkompressor ein Luftstoß in den Füllkörper gelassen.
Zu Beginn der Ausstellung ist Letzterer kompakt auf einer Flächen von weniger als einem halben Quadratmeter zusammengefaltet. Mit jedem gesammelten Tweet bläht sich das - entfernt an eine überdimensionale Luftmatratze erinnernde - Objekt immer weiter auf. Der schwarze Füllkörper besetzt den Raum und wirkt durch seine massige und furchteinflößende Erscheinung dem postkartenklischee des mediterranen Idylls entgegen. In unregelmäßigen Intervallen wird die Ruhe des Ausstellungsraums vom donnerndem Lärm des Kompressors unterbrochen, wärend das feine Zischen der Luftstöße die unsichtbaren Äußerungen im Internet hörbar macht.
Ort:
Villa Arson, Nice (France)
Entstehungsjahr:
2014
Maße:
dynamisch
Material:
Kompressor, Einplatinencomputer mit Internetverbindung, Magnetventil, Elektronik, Pneumatikschlauch, Füllkörper